Der Wechselbalg zu Großwitz

In derselben Gegend, aber hinter Saalfeld, waren Burschen und Mädchen in einer Lichtstube versammelt und alle fröhlich, bis auf eine Kindsmagd im selben Hause, die war mürrisch und verdrießlich, weil sie gar zu große Not mit dem stets schreienden und mißgestalteten Kinde ihrer Dienstherrschaft hatte, welches leider Gottes ein Wechselbalg war.

 

Hinten im Hofe war ein alter halbverfallener Keller, in welchem sich bisweilen ein Licht sehen ließ, und das geschah auch am selben Abend, wo die Burschen und Mädchen Spinnstube hatten, und da sagten die Mädchen, die Burschen sollten doch hineingehen in den Keller und sehen, was das für ein Licht sei. Die Burschen hatten aber keine Lust und sagten, die Mädchen sollten doch hineingehen, und die es tue, solle einen nagelneuen Rock gekauft bekommen, nur ein Wahrzeichen müsse sie mit herausbringen.

 

Keine der Jungfern hatte Lust, bis auf die Verdrießliche, die sagte: „Wenn ihr mir den kleinen Schreibalg da so lange halten wollt, will ich schon gehen.“ Dies ward zugesagt und getan, und die Magd ging. Der Keller stand auf, und in der Tiefe schimmerte ein Licht. Da nun die Magd hineinblickte, ob alles sicher sei, so grölzte es hinten hervor: „Guckst du, so werf‘ ich!“ Ganz unerschrocken aber versetzte die Magd: „Wirfst du, so fang‘ ich!“ Das wiederholte sich noch zweimal, und die Magd hob ihre Schürze auf, und da flog etwas Dunkles aus der Höhle hervor und plumpte schwer in die Schürze und zappelte, und war ein kleines Kind.

 

Das war Wahrzeichen genug. Eilend trug die Magd das Kind vor ins Haus, und wie alle es voll Verwunderung ansahen, trat die Hausfrau dazu und hub an zu schreien: „Herr Gott! Herr Gott! Mein Kind, mein liebes Kind! Wie ist es wieder so schön geworden!“ Und war wirklich dieser Frau ihr Kind, und der Wechselbalg in der Wiege war auf und davon. 

 

Da ist in jener Gegend das Sprichwort aufgekommen, wenn einem oder einer ganz unversehens etwas zuteil wird: Ich bin dazu gekommen wie die Magd zum Kind.

 

Quelle: Ludwig Bechstein, Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853

 

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